Klimawechsel – Geldpolitik nach Schema „bzirc“
Als Anleger gewöhnt man sich daran, mit bestimmten anerkannten Grenzen zu leben. So gilt zum Beispiel allgemein die Annahme, dass Zinsen nicht unter Null fallen können. Gelegentlich kam eine Laune der Geschichte vor und es gab negative Zinsen (in den 70er Jahren in der Schweiz), doch handelt es sich dabei eher um ein nur für Insider interessantes Kuriosum. Aktuell scheint jedoch eine massive Veränderung des Anlageklimas möglich.
Es gibt bereits einige Anleihemärkte, die sich im „Eiszeitalter“ unter Null befinden, wie z. B. die Schweiz, Dänemark, Deutschland, Finnland und die Niederlande. In diesen Fällen können Negativzinsen Ausdruck der Markteinschätzung einer Währung oder der Möglichkeit einer Re-Denominierung sein (wie bereits von Mike Riddell dargelegt – auf Englisch). Sie sind daher als Nebenprodukt externer Faktoren und nicht als das Ergebnis der jeweiligen Geldpolitik zu sehen. Doch jetzt besteht die Möglichkeit, dass die Geldpolitik der G7-Staaten die zuvor unvorstellbare Realität offizieller Minus-Zinsen einläutet.
Viele G7-Staaten setzen seit einigen Jahren auf sehr niedrige Zinsen und Maßnahmen zur geldpolitischen Lockerung. Sie scheinen sich trotzdem immer noch in einer prekären wirtschaftlichen Lage zu befinden, die durch hohe Arbeitslosigkeit, niedriges Wachstum und einen begrenzten fiskalischen Spielraum gekennzeichnet ist. Jetzt steht womöglich eine radikale Änderung der Rahmenbedingungen für Anleger an, wenn die Zentralbanken mit Zinssätzen unter Null experimentieren.
Theoretisch hört sich ein negativer Zinssatz einfach an: Wenn der Zinssatz bei -1 % liegt, erhält man bei einem Sparbetrag von 100 GBP nach einem Jahr 99 GBP von der Bank zurück. Ein rational denkender Anleger hätte natürlich auch die Möglichkeit, sein Bargeld einfach unter die Matratze zu legen und die Negativzinsen zu vermeiden, obgleich der Anreiz zu einem rationalen Verhalten durch den Verwaltungsaufwand und das Sicherheitsrisiko der Bargeldhaltung abgeschwächt wird. Die Zentralbank könnte Handlungen dieser Art ohne Weiteres dadurch einschränken, dass sie nicht ausreichend Bargeld druckt. Dann müsste der Großteil der Geldmenge elektronisch vorgehalten werden und könnte somit einem negativen Strafzins unterliegen. Eine Umsetzung von negativen Zinssätzen ist also durchaus möglich.
Aus Sicht der Zentralbank dürfte diese Vorgehensweise Wachstumsimpulse auslösen, da das Sparen unattraktiv und der Konsum angeregt würde, genau wie bei einer klassischen Zinssenkung. Im Extremfall könnte man Darlehenszinsen schaffen, die außergewöhnlich niedrig sind, bei Null oder sogar im negativen Bereich liegen.
Die Zentralbanken und Regierungen sehen sich trotz traditioneller und auch unkonventioneller politischer Maßnahmen nach wie vor mit Herausforderungen konfrontiert. Vielleicht ist es bald an der Zeit, dass konventionelle Instrument Zinssenkung auf unkonventionelle Weise zu nutzen, indem man die Zinsen in den negativen Bereich absenkt. Der nächste Schritt, den die Behörden ergreifen, könnte also bedeuten, dass die Volkswirtschaften mit einem Zinsklima unter Null leben müssen (Geldpolitik nach Schema „bzirc“ = „below zero interest rate climate“).
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