Die Fed hat doch nicht auf die Bremse getreten – aber was bedeutet dies für die US-Geldpolitik und die Anleihenmärkte?

Gestern Nacht hat der Offenmarktausschuss der US-Notenbank (FOMC) für eine Riesenüberraschung gesorgt, als er beschloss, die quantitativen Lockerungsmaßnahmen nicht auslaufen zu lassen. Für uns ist das jetzt allerdings keine allzu große Sache. Bereits seit Mai hat sich der Markt viel zu stark auf diesen Aspekt konzentriert und sich übertrieben große Sorgen um eine Beendigung der quantitativen Lockerungspolitik gemacht. Gleichzeitig hat man der fundamentalen wirtschaftlichen Lage, in der sich die USA zurzeit befinden, kaum noch Beachtung geschenkt. So ist die Arbeitslosigkeit – auch dank einer rückläufigen Erwerbsquote – zuletzt auf 7,3 Prozent gesunken. Trotzdem bleibt die Notenbank angesichts einer nachlassenden Kerninflation zurückhaltend. Nachdem die Fed-Sitzung nun aber hinter uns liegt, wird sich der Markt wohl wieder auf die Wirtschaftsdaten konzentrieren. Gleichzeitig wird die aktuell sehr lockere Zinspolitik wahrscheinlich noch lange Zeit beibehalten werden – selbst wenn das Ziel einer neutralen Bilanz erreicht werden sollte. Deshalb könnte der jüngste Ausverkauf bei Staatsanleihen allmählich zu Ende gehen. So ist die Rendite 10-jähriger US-Staatsanleihen seit gestern Nachmittag von 2,89 Prozent bis heute Morgen bereits um 19 Basispunkte auf 2,70 Prozent gesunken.

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Fed-Sorge Nr. 1: Die Kern-PCE-Inflation in den USA nähert sich einem historischen Tiefststand

Es ist allgemein bekannt, dass US-Notenbankchef Ben Bernanke seine Lehren aus der US-Wirtschaftskrise der 1930er Jahre gezogen und deshalb große Angst vor einer Deflation hat. So verdeutlichte er in einer Rede im Jahr 2002, wie die USA eine Deflation umgehen könnten. Daraufhin verlieh man ihm den Spitznamen „Hubschrauber-Ben“. In dieser Rede gab Bernanke eine wichtige Erklärung ab: „Der Kongress hat der Fed (unter anderem) die Verantwortung für den Erhalt der Preisstabilität übertragen. Diese Aufgabe impliziert in jedem Fall eine Vermeidung von Deflation und Inflation.“

Die bevorzugte Inflationskennzahl der US-Notenbank, die Kern-PCE-Inflation, vollzieht momentan aber einen besorgniserregenden Abwärtstrend. Dies beunruhigt zumindest eines der Mitglieder des FOMC in hohem Maße: den Chef der Notenbank in St. Louis, James Bullard. Dieser vertritt nämlich die Auffassung, dass das FOMC angesichts der aktuell niedrigen Inflationszahlen seine Bereitschaft, das Inflationsziel von 2 Prozent zu verteidigen, noch wesentlich deutlicher zum Ausdruck bringen sollte. Aus den Protokollen der Fed-Sitzung vom Juni (auf der Bullard seine Gegenposition vertrat) geht hervor, dass die US-Notenbank nach Einschätzung von Bullard bisher nicht genug getan hat, um eine drohende Deflation abzuwenden. Darüber hinaus ist Bullard der Meinung, dass das FOMC sein Inflationsziel nicht nur dann verteidigen muss, wenn die Teuerungsrate darüber liegt, sondern auch, wenn sie niedriger ist.

Eine entscheidende Komponente des „doppelten Mandats“ der US-Notenbank – der Erhalt der Preisstabilität – ist momentan also zweifellos nicht so erfolgreich, wie das FOMC sich dies wünscht. Und eine schrittweise Beendigung der konjunkturfördernden Geldpolitik birgt große Risiken, wenn die Kerninflation auf einem rezessiven Niveau liegt. Deshalb deutet diese Kennzahl darauf hin, dass Zinsanhebungen derzeit noch in weiter Ferne liegen.

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Fed-Sorge Nr. 2: der Arbeitsmarkt

Der jüngste Bericht zur Beschäftigungsentwicklung ist mäßiger ausgefallen als es die Volkswirte mittlerweile eigentlich gewohnt sind. So lag das Beschäftigungswachstum in den letzten drei Monaten im Durchschnitt bei 148.000 neuen Jobs und blieb damit hinter den über 200.000 Arbeitsplätzen zurück, die man zu Beginn dieses Jahres noch allgemein erwartet hatte. Diese Zahlen bestätigen den nachlassenden Trend beim Beschäftigungswachstum im nicht-landwirtschaftlichen Bereich. Zugegeben, die Arbeitslosenquote ist zuletzt auf 7,3 Prozent gefallen, aber dies war in erster Linie darauf zurückzuführen, dass die Zahl der Arbeitskräfte im August ebenso gesunken ist wie die Erwerbsquote. Der Arbeitsmarkt ist also gar nicht so robust wie es die allgemeinen Zahlen vermuten lassen könnten.

Zweifellos hat dieser Rückgang der Arbeitslosigkeit die meisten Mitglieder der Fed überrascht. Man geht allerdings nicht davon aus, dass die Arbeitslosenquote vor Ende 2014 wieder auf die 6,5 Prozent-Marke sinken wird, ab der man überhaupt erst „über eine Anhebung der Zinsen nachdenkt“. Deshalb wäre es ein verwirrendes Signal gewesen, wenn man bereits jetzt mit der allmählichen Beendigung der quantitativen Lockerungspolitik begonnen hätte, obwohl die Zahl der neu geschaffenen Arbeitsplätze doch zuletzt niedriger ausgefallen ist. So betonte die US-Notenbank erneut, dass sowohl die konjunkturelle Entwicklung als auch der Arbeitsmarkt zunächst robust genug sein müssten, bevor die Währungshüter eine Reduzierung ihrer Wertpapierkäufe in Betracht zögen. Auch dieser Faktor erklärt, weshalb sich das FOMC im September zurückgehalten hat.

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Fed-Sorge Nr. 3: der Anstieg der Hypothekenzinsen

Nach den Schwankungen, die während der Sommermonate an den Märkten zu verzeichnen waren, ist der durchschnittliche Zins für eine auf 30 Jahre festgeschriebene Hypothek von 3,4 Prozent im Mai inzwischen auf etwa 4,5 Prozent angestiegen. Damit ist dieser Markt für die Fed im Grunde genommen bereits enger geworden. Der Häusermarkt leistet einen entscheidenden Beitrag zum US-Wirtschaftswachstum, und durch diesen Zinsanstieg wird die Erschwinglichkeit von Wohnimmobilien beeinträchtigt werden. Außerdem könnten potenzielle Hauskäufer dadurch aus dem Markt gedrängt werden. Ein sich abschwächender Häusermarkt bedeutet ferner den Verlust von Arbeitsplätzen, einen nachlassenden Konsum und damit auch ein schwächeres Wachstum. Darüber hinaus war der jüngste Anstieg der Renditen von Staatsanleihen äußerst heftig und birgt für zinssensitive Wirtschaftszweige diverse Risiken.

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Aus den oben genannten Gründen scheint die US-Notenbank momentan also noch nicht bereit zu sein, sich von den Anleihenmärkten zu einer Beendigung ihrer quantitativen Lockerungspolitik drängen zu lassen. Allerdings besteht die Möglichkeit, dass die Leichtfertigkeit, die im ersten Halbjahr 2013 an den Märkten für risikobehaftete Anlageformen zu beobachten war, durch die jüngsten Spekulationen über einen solchen Strategiewechsel gedämpft worden ist. Wahrscheinlich werden eine niedrige Inflation, ein wieder anziehender Arbeitsmarkt sowie ein sich abschwächender Häusermarkt jedoch zur Folge haben, dass die US-Notenbank auf absehbare Zeit noch an ihrer lockeren Zinspolitik festhalten wird. Das jüngste „Antäuschen seitens der Fed“ deutet aber darauf hin, dass der Zeitpunkt für eine Beendigung der quantitativen Lockerungsmaßnahmen tatsächlich von den Wirtschaftsdaten abhängig ist und nicht von vornherein feststeht. Das makroökonomische Umfeld ist also entscheidend.

Da man sich am Markt mittlerweile wieder auf die Wirtschaftsdaten zu konzentrieren beginnt, kann man wohl davon ausgehen, dass sich auch die Märkte für Staatsanleihen demnächst wieder etwas stabilisieren werden. Darüber hinaus könnte das FOMC seine Anleihenkäufe langsamer zurückfahren als man es derzeit erwartet. Unserer Meinung nach werden die Sorgen des Marktes über die Auswirkungen der Debatte über ein Auslaufen der quantitativen Lockerungsmaßnahmen deshalb im Laufe der Zeit vermutlich nachlassen, zumal die Fed langsam und schrittweise auf eine im nächsten Jahr wieder neutrale Bilanz zusteuert.

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Anthony Doyle

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