Wie empfindlich reagieren Schwellenländer auf Handelskriege?
Schwellenländer-Portfoliomanagerin Claudia Calich analysiert die potenziellen Folgen einer Eskalation der Handelsspannungen zwischen den USA und China auf die Schwellenländer. Claudia Calich zeigt, dass beliebte Produkte wie französischer Wein und Käse trotz der diplomatischen Tumulte und des Medienrummels allen Hindernissen zum Trotz immer ihren Weg zum Endverbraucher finden werden. Sie erklärt auch, welche Länder im derzeit vorherrschenden Umfeld zu den Gewinnern und Verlierern zählen könnten und welche Staaats- und Unternehmensanleihen aus Schwellenländern attraktiver wirken.
Fragen und Antworten mit Schwellenländer-Portfoliomanagerin Claudia Calich
Handelskriege können verschiedene Kanäle betreffen: Importwaren können teurer werden, die Währungen der Exportländer können abwerten und Anlageentscheidungen könnten aufgeschoben werden, bis mehr Klarheit herrscht. Handelskriege können auch einen Rückgang des Verbrauchs zur Folge haben, wenn die Unternehmen die höheren Preise weitergeben. Des Weiteren könnten sich die finanziellen Bedingungen straffen, wenn die Direktinvestitionen aus dem Ausland zurückgehen oder die Risikoprämie auf Anleihen oder Aktien steigt. Diese sämtlichen Faktoren könnten die Wirtschaftsaktivität beeinträchtigen.
Zum jetzigen Zeitpunkt ist es jedoch schwierig, die genauen Folgen der anhaltenden Spannungen zu quantifizieren, da Produktionsstätten und internationale Versorgungsketten nicht über Nacht verändert oder in ein anderes Land verlegt werden können. Auch wenn neue Zölle auferlegt werden, könnte es billiger sein, diese zu bezahlen als einen gesamten Produktionsprozess in ein anderes Land zu verlagern. Ob die US-Unternehmen die zusätzlichen Kosten an die Verbraucher weitergeben können bleibt noch abzuwarten. Es ist auch noch fraglich, ob diese Verbraucher bereit sein werden, höhere Preise zu akzeptieren. Darüber hinaus könnte es Möglichkeiten geben, Zölle zu umgehen. Wir haben kürzlich gesehen, dass Russland Barrieren für bestimmte westliche Produkte einführte, französischer Wein und Käse aber durch andere Länder trotzdem ihren Weg ans Ziel fanden. Auswirkungen auf Dritte wären ebenfalls möglich. So könnten beispielsweise Handelsbarrieren für chinesische Waren mexikanische Exporte in die USA fördern. Bestimmte US-Automobilhersteller wie z. B. Ford verfügen bereits über große Werke in Mexiko.
Die Rohstoffpreise sind in der jüngsten Zeit aufgrund von Bedenken, dass die Handelsspannungen das chinesische Wachstum schwächen könnten und die Nachfrage nach Metallen so nachlassen könnte, zurückgegangen. Rechnen Sie mit weiteren Rückgängen?
Sollte das chinesische Wachstum deutlich zurückgehen, könnte eine weitere Schwächung eintreten. Wir sollten aber nicht vergessen, dass der derzeitige Leistungsbilanzüberschuss Chinas nur knapp 1 % des BIP ausmacht, also wesentlich weniger, als die 10 % vor zehn Jahren, da das Land seine Volkswirtschaft auf ein verbrauchsorientiertes Modell umstellt, dessen Schwerpunkt nicht länger auf Verarbeitung und Export liegen soll. Die von China importierten Rohstoffe werden eher für Infrastrukturprojekte verwendet, die stärker vom Binnenwachstum abhängig sind – die Zölle gelten dagegen eher für die Herstellung von Produkten. Die Nachfrage nach Rohstoffen könnte daher nicht unbedingt so stark zurückgehen wie von Manchen erwartet – es sei denn, in China würde aufgrund der Handelskriege eine wesentliche Konjunkturverlangsamung einsetzen und/oder die chinesische Regierung würde eine politische Antwort wählen, die zu finanzieller Instabilität führt.
Wie sehen Sie die Länder, die viel nach China exportieren?
Diese Länder müssen wir jeweils einzeln betrachten. Der Kupfererzeuger Chile verfügt beispielsweise über eine sehr geringe Verschuldung, eine freie Währung und hat keine wesentlichen Probleme mit Leistungsbilanzdefiziten. Sollten die Kupferpreise einbrechen, müsste die Zentralbank die Zinsen anheben und könnte gezwungen sein, mittelfristig hohe Haushaltsdefizite aufrecht zu erhalten. Sie hätte aber die Mittel, sich zu verteidigen.
Andere Länder könnten dagegen wesentlich anfälliger sein. Sambia verfügt beispielsweise über ein hohes Zwillingsdefizit, so dass das Land in einem extremen Szenario wesentlich unflexibler wäre.
Auch Länder mit höheren auf US-Dollar lautenden Schulden hätten zu leiden, falls eine Eskalation der Handelsspannungen zu einem stärkeren US-Dollar führen würde.
Was wäre das Schlimmste, das passieren könnte?
Die Reaktion Chinas wird von zentraler Bedeutung sein. Sollte das Land die Währung beispielsweise als Verhandlungstool einsetzen und eine Abwertung erzwingen, würde das zu stärkeren Spannungen führen und möglicherweise zu finanzieller Instabilität. Man kann nie ausschließen, dass in Extremsituationen Szenarien eintreten, die zu einem Risk-off-Umfeld mit weiteren Renditeabständen und höheren Defiziten führen würden. Das ist jedoch nicht mein Basisszenario.
China hat jedoch erneut betont, finanzielle Stabilität anzustreben und seine Währung nicht als Instrument einsetzen zu wollen. Wie in China haben auch andere Zentralbanken aus Schwellenländern ihre Führung und Glaubhaftigkeit in den letzten Jahren verbessert. Solange ihre Reaktion also angemessen und von entsprechender Kommunikation begleitet sein wird, dürfte ihre Glaubhaftigkeit und Stabilität nicht wesentlich beeinträchtigt werden.
Wir konnten seit Jahresbeginn mehrere Zinserhöhungen in Schwellenländern beobachten – handelt es sich um eine Reaktion auf den steigenden US-Dollar? Rechnen sie mit mehr Zinserhöhungen in Schwellenländern?
Jeder hat seine eigenen Katalysatoren: Die Türkei und Argentinien haben ihre Zinsen erhöht, weil dies aufgrund ihrer hohen Leistungsbilanzdefizite und des großen Finanzierungsbedarfs nötig war. In Osteuropa wurden die Zinsen erhöht, da in Ländern wie der Tschechischen Republik, Rumänien und Ungarn Zeichen für eine Überhitzung deutlich wurden, die zu steigender Inflation führen wird.
Da die Daten aus Europa und Teilen Asiens in der letzten Zeit gedämpfter und die US-Daten gemischt waren, deuten die meisten Anzeichen im Zusammenhang mit den zukünftigen Zinsen in den Schwellenländern auf Erhöhungen hin.
Sind höhere Zinsen in den Schwellenländern bereits eingepreist?
Was bereitet Ihnen im Hinblick auf die Schwellenländer die größten Sorgen?
Manche Länder, besonders mit schwächeren Ratings wie z. B. afrikanische Emittenten südlich der Sahara, Argentinien oder Bahrain sind von höherem Wachstum oder niedrigen Refinanzierungs-Zinsen abhängig, um ihren Verschuldungsgrad stabil zu halten. Während wir in vielen Volkswirtschaften von Schwellenländern einen breit basierten Rückgang der Leistungsbilanzdefizite beobachten konnten und davon ausgehen können, dass dieser Teil der Neugewichtung abgeschlossen ist, sind Verbesserungen bei den Haushaltsdefiziten dieser Länder erst in der jüngsten Zeit festzustellen. Höheres Wachstum wäre von Vorteil, aber in bestimmten Fällen bleibt noch viel mehr zu tun.
Wo könnten sich bei den Schwellenländern derzeit Chancen für Anleger bieten?
Nach dem Ausverkauf von chinesischen Anleihen haben die Renditeabstände Niveaus erreicht, die attraktiv sein könnten, besonders im Immobiliensektor. Wir sehen auch eine Exposure gegenüber den lokalen Märkten in Ländern, deren reale oder nominale Zinsen interessant wirken, wie Brasilien und Uruguay, positiv, oder in Ländern, wo die Inflation wahrscheinlich ihren Höchststand erreicht hat, wie Mexiko. Bei den Unternehmensanleihen bevorzugen wir quasi-staatliche Emittenten des Öl- und Gassektors mit soliden Fundamentaldaten und bestimmte Unternehmen des Verbrauchersektors in Peru sowie Immobilienunternehmen in Mexiko. Was die Wahl zwischen auf lokale oder harte Währungen lautende Anleihen betrifft, so sahen wir auf lokale Währungen lautende Anleihen nach 2015 positiv, als wir davon ausgingen, dass die Rally des US-Dollars quasi beendet wer. Die Preise von auf US-Dollar lautenden Anleihen sind jetzt interessanter als zu Beginn dieses Jahres, da sich die Renditeabstände erweitern und wir in diesem Segment Wertpotenzial sehen. Grundsätzlich handelt es sich bei den Schwellenländern um einen Markt, aus dem man sich die Rosinen herauspicken muss.
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