Übergangsanleihen: Eine Option für nachhaltige Investoren
Die EU hat sich auf die Fahnen geschrieben, Europa bis 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent zu machen. Eher unbemerkt zwischen all den Schlagzeilen über COVID-19 verabschiedete das EU-Parlament am 18. Juni das EU-weite grüne Klassifizierungssystem, auch bekannt als EU-Taxonomie für nachhaltige Investitionen, und machte es zum Gesetz. Eine Kernsäule der neuen Verordnung ist die Beschreibung, ob eine wirtschaftliche Aktivität als grüne Investition gilt oder nicht, so dass ein klarer Branchenstandard für grüne Finanzierungsgeschäfte festgelegt wird. Auch wenn die technische Arbeitsgruppe noch dabei ist, die Auswahlkriterien für bestimmte Marktsegmente zu definieren, ist klar, dass die festgelegten Auswahlkriterien streng sind. Dies ist sicherlich der richtige Weg, wenn wir das ehrgeizige Ziel erreichen wollen, die globale Erwärmung auf 1,5 Grad über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen.
Die weltweite Energienachfrage wird in den nächsten 30 Jahren aufgrund der wachsenden Bevölkerung und der wirtschaftlichen Expansion weiter steigen. Und obwohl erneuerbare Lösungen weiterhin Marktanteile gewinnen, dürften fossile Brennstoffe im Jahr 2050 selbst im optimistischsten Szenario noch mindestens 50% des globalen Energiemixes ausmachen, wie Untersuchungen von Barclays zeigen. Folglich müssen die existierenden Unternehmen, insbesondere die kohlenstoffintensiven Industrien, zur Verwirklichung einer kohlenstoffarmen Welt ihre CO2-Bilanz verbessern und das Klimarisiko eindämmen.
Die Hürde für kohlenstoffintensive Unternehmen, grüne Anleihen zu emittieren, bleibt jedoch hoch. Diese Emittenten fürchten, mit einer grünen Anleihe auf den Markt zu kommen und dafür kritisiert zu werden. Es überrascht nicht, dass Öl- und Gaskonzerne im BofA Merrill Lynch Green Bond Index nur eine Gewichtung von 0,47% repräsentieren, während ihr Indexgewicht im BofA Merrill Lynch Global Corporate Index mehr als 8% beträgt. Trotzdem würde ich behaupten, dass Unternehmen, die in kohlenstoffintensiven Industrien tätig sind, eine wichtige Rolle bei der erforderlichen Energiewende spielen. Viele von ihnen sind große Akteure mit umfangreichen Kapitalstrukturen und Forschungs- und Entwicklungsabteilungen, die den dringend benötigten Wandel beschleunigen können. Erst letzten Monat erwarb Total eine 51%-Beteiligung an Seagreen 1, einem Offshore-Windparkprojekt in der Nordsee mit einem geschätzten Wert von 3 Milliarden Pfund. Nur wenige Akteure verfügen über die Finanzkraft und die Fähigkeit, das Baurisiko für ein so großes Projekt zu übernehmen.
Doch was ist mit Aktivitäten, die nicht als grün eingestuft werden können, aber dennoch eine wichtige Rolle bei der Reduzierung der Treibhausgasemissionen eines Unternehmens spielen? Wie kann die Investmentbranche ein solches Verhalten bei Unternehmen fördern, deren Kerngeschäft (noch) nicht mit einer grünen Finanzierung vereinbar ist?
Eine mögliche Lösung, um kohlenstoffintensiven Industrien eine Finanzierung durch eine nachhaltige Investorenbasis zu ermöglichen, sind Energy Transition Bonds. Dies sind Anleihen, die mit dem Ziel emittiert werden, einen Wechsel zu einem grüneren Geschäftsmodell zu ermöglichen. Bislang steckt diese Idee noch in den Kinderschuhen, da erst ein halbes Dutzend solcher Anleihen aufgelegt wurden. Im vergangenen Monat legte der italienische Gasleitungsnetzbetreiber Snam seine erste offizielle Übergangsanleihe im Rahmen eines 500-Millionen-Euro-Deals auf. Der Erlös wird zur Finanzierung förderungswürdiger Projekte im Zusammenhang mit der Energiewende gemäß der Definition im unternehmenseigenen Rahmenwerk für Übergangsanleihen verwendet. Diese Erlöse können zum Beispiel an erneuerbare Energieprojekte gekoppelt werden, indem Gasleitungen wasserstofftauglich gemacht werden, oder an Energieeffizienzprogramme, indem Heizungen mit effizienteren Technologien zur Reduzierung von Methanemissionen installiert werden. Der neue Deal wurde von den Anleiheinvestoren begrüßt und war bei der Emission dreimal überzeichnet.
Allerdings gab es bereits in den Anfangszeiten des Marktes für Übergangsanleihen Situationen, die die Anleiheinvestoren aufhorchen ließen. Im Jahr 2019 gab ein Rindfleischproduzent eine Übergangsanleihe mit dem Ziel heraus, diese Mittel für den Kauf von Rindern von Lieferanten zu verwenden, die sich verpflichtet hatten, nicht noch mehr Regenwald zu zerstören. Viele würden argumentieren, dass das Unternehmen von vornherein keine Rinder aus abgeholzten Gebieten kaufen sollte.
Dies unterstreicht die Bedeutung von gegenseitigen Kontrollen und untermauert die Forderung nach branchenweiten Standards für Übergangsanleihen. Die Marktteilnehmer benötigen einen Rahmen, der die Zulassungskriterien für die Verwendung der Erlöse aus diesen Übergangsanleihen festlegt, einschließlich der mindestens zu erzielenden Energieoptimierung, der Art und Weise, wie dies gemessen und berichtet wird, und des Ausmaßes, in dem eine solche Transaktion mit der übergeordneten Übergangsstrategie des Emittenten verknüpft werden muss. Nur so kann das Vertrauen und die Zuversicht der Investoren gewonnen werden, und Übergangsanleihen können sich zu einem anerkannteren und solideren Marktplatz entwickeln. Die EU-Taxonomie wird hier einige wertvolle Anhaltspunkte liefern, anhand derer sich messen lässt, ob die geplante Mittelverwendung eines Unternehmens gut genug ist, um als Übergangsanleihe zu gelten. Bei richtiger Handhabung können Übergangsanleihen neben grünen Anleihen eine wichtige zusätzliche Anlageklasse für Emittenten sein und somit dazu beitragen, Greenwashing auf dem Markt für grüne Anleihen zu verhindern.
Mit dem richtigen Rahmenwerk könnten Energy Transition Bonds die nächste Stufe der Kapitalallokation in Richtung einer kohlenstoffarmen Wirtschaft sein. Sie können eine wichtige Lücke schließen und dazu beitragen, mehr Mittel zur Bekämpfung des Klimawandels zu mobilisieren. Emittenten können einen besseren Zugang zu einer wachsenden nachhaltigen Investorenbasis erhalten, und Anleiheinvestoren würden ihre Chancen erheblich steigern, wodurch insgesamt das Klimarisiko noch effizienter eingedämmt werden könnte. Ein Gewinn für Anleiheinvestoren, Emittenten und unsere Erde gleichermaßen.
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