Wie ich mich vor einem Brexit… oder Bremain schütze.
In den letzten Tagen und Wochen haben sich die Wettquoten für einen Verbleib Großbritanniens in der EU deutlich verschlechtert und die Marktteilnehmer mehr und mehr Zeit mit Überlegungen verbracht, wie sie sich angesichts des Referendums positionieren sollen: relativ zur Benchmark, ihrer Vergleichsgruppe oder ihrem Risikobudget. Die intensiven Handelsaktivitäten der letzten Zeit machen zweifelsohne deutlich, dass viele Marktteilnehmer nicht mit ihren Positionen oder Risikoprofil im Vorfeld des Referendums zufrieden waren. Die starke Volatilität und Risikoscheu, der Verkauf von Kreditrisiko und eine Rally bei Staatsanleihen haben eine deutliche Sprache gesprochen.
Es ist gerade einmal zwei Wochen her, dass die Anleger an den Kreditmärkten fieberhaft versucht haben, sich mit möglichst großen Volumina der zahlreichen Neuemissionen einzudecken, die von Investment-Grade-Unternehmen an den Markt gebracht wurden. Einige Wochen später ist die Zahl der Neuemissionen verebbt und – angesichts des Back-up bei Credit Spreads in letzter Zeit (Slang für Spread-Bewegung, die eine Emission verteuert. Typisch für ein Back-up ist der Anstieg der Anleihenrenditen bei gleichzeitigem Preisrückgang für die Anleihe.) – die Verkäufer dieser begehrten Anleihen scheinen die Zahl der willigen Käufer zu übersteigen. Die einfache Schlussfolgerung ist, dass die Chancen auf einen Brexit steigen und die Investoren deshalb ihr Risiko reduzieren und Unternehmensanleihen verkaufen.
Versetzen wir uns einmal in die Rolle des Advocatus diaboli und nehmen an, ein imaginärer Portfoliomanager hätte im Vorfeld des Referendums Kreditrisiko verkauft und seine Barmittel erhöht. Im Moment ist unser Manager guter Dinge, denn die Risikoscheu hat zugenommen, was zu einer Ausweitung der Credit Spreads geführt hat. Das Referendum hat jedoch binären Charakter: Entweder bleibt Großbritannien in der EU oder geht. Bei einer Entscheidung für einen Verbleib ist es durchaus angemessen, eine Korrektur der Spread-Ausweitungen zu erwarten, die wir seit den ersten Anzeichen von Ängsten vor einem Brexit beobachtet haben.
In diesem Fall ist unser imaginärer Portfoliomanager bei Unternehmensanleihen nicht genug investiert und das von ihm verkaufte Kreditrisiko muss nun erneut aufgebaut werden – vermutlich mit höheren Kosten. Selbst wenn es bei einer Entscheidung für ein Ausscheiden aus der EU zu keiner Spread-Rally kommt, würde unser Manager den aktuellen Bid-Offer-Spread bezahlen müssen, um die verkauften Anleihen zu ersetzen.
In anderen Worten gehen Investoren, die jetzt Kreditrisiko abstoßen, von einer Wahl für den EU-Austritt aus. Diese Entscheidung würde einem Anleihenportfolio, zumindest für einen bestimmten Zeitraum – egal wie lang oder kurz – nützen, wenn die Spreads ansteigen oder die Wahrscheinlichkeit eines Brexit zunimmt oder ein Brexit tatsächlich Realität wird. Bei einer Wahl für einen Verbleib in der EU sieht es jedoch anders aus, denn es würden für das Portfolio Kosten entstehen.
Spielen wir jetzt das Referendum in Bezug auf unsere Durationspositionierung durch. Meiner Meinung nach ist hier eine Prognose noch schwieriger als bei Unternehmensanleihen. In welche Richtung werden sich im Falle eines Brexit die Renditen auf britische Staatsanleihen (Gilts) bewegen? Auf der einen Seite könnte es durch die Periode wirtschaftlicher Unsicherheit zu rückläufigem Wachstum und einer sinkenden Inflation kommen, was zweifelsohne die Renditen auf Staatsanleihen weiter nach unten drücken würde. Auf der anderen Seite befindet sich mehr als ein Drittel aller britischen Staatsanleihen im Besitz internationaler Investoren. Was passiert, sollten diese Investoren ihr Interesse am Pfund Sterling verlieren und die britische Währung ganz oder teilweise abstoßen? Mein Verdacht ist, dass die automatische Reaktion auf einen Brexit das Pfund Sterling abschwächen wird und die Rally der Gilt-Renditen anhält. Die Frage ist jedoch für wie lange? Könnten wir den Tag mit höheren Gilt-Renditen und ohne Veränderung für die britische Währung enden sehen? Fest steht, dass die Bewegung der Renditen auf britische Staatsanleihen – unabhängig vom Wahlausgang – in jedem Fall höchst unsicher ist. Hedging und Durationspositionierung im Vorfeld des Referendums sind ergo extrem schwierig.
Aus der Perspektive der Durationspositionierung sind kurz datierte Breakevens meiner Meinung nach die vernünftigste Methode, sich für das Referendum zu positionieren. Erstens, angenommen Sie erwarten eine Abwertung des Pfund Sterling, sollten Sie inflationsgebundene Anleihen halten. Diesen förderlich werden die höheren Inflationserwartungen sein (durch Importinflation), insbesondere solche mit kürzeren Laufzeiten. Dies wird die indexgebundenen Bewertungen relativ zu nominalen Anleihen unterstützen. Mit anderen Worten ist ein Anstieg der Breakeven-Raten mit kürzeren Laufzeiten wahrscheinlich, sollte die britische Währung schwächeln. Zweitens, wenn wir die Währung einmal außer Acht lassen, würde man im Fall von steigenden Renditen (entweder sehen wir mehr ausländische Käufer britischer Papiere bei einer Wahl für den Status quo oder aber eine wachsende Risikobereitschaft und vorgezogene Zinserhöhungen bei einem Brexit) typischerweise auch steigende Breakeven-Raten erwarten. Dieses Szenario führt zu einer Outperformance von indexgebundenen Anleihen gegenüber nominalen Anleihen.
Sollten die Renditen andererseits fallen, bei einem Brexit aufgrund von Risikoaversion die wahrscheinlichste Entwicklung, so käme es zu einer Underperformance indexgebundener Papiere gegenüber nominalen Anleihen und Breakevens bieten zumindest eine recht gute Ankoppelung an die Nominalrenditen. Im Falle eines Brexit ist es schwierig, sich ein Szenario mit einer starken Rally der nominalen Renditen bei gleichzeitig fallenden Preisen für indexgebundene Anleihen vorzustellen (In einer solchen Konstellation würden die Inflationsängste zügig kollabieren. Es ist also nicht unmöglich, aber unwahrscheinlich.).
Angesichts des binären Charakters des Referendums (50:50 ist als Wahlergebnis eher unwahrscheinlich, doch was würde dann passieren?) ist es in meinen Augen in Bezug auf die Duration am besten, sowohl vor als auch während und nach der Wahl auf kurz datierte inflationsgebundene Anleihen zu setzen. Solch eine Positionierung ist im Gegensatz zum Referendum nicht binär. Breakevens im Portfolio kommen einer Positionierung für höhere Inflation gleich. Fallen Breakevens nach dem Referendum und die Nominalrenditen fallen ebenfalls, dann ist durch die immer noch bestehende Verbindung zu den Nominalrenditen ein Preisanstieg ihrer Anleihen wahrscheinlich.
Bei einer geschwächten Währung im Anschluss an die Wahl wird der Importpreisanstieg die Inflationserwartungen ansteigen lassen. Gesetz dem Fall die Währung ist nach dem Referendum nicht geschwächt, so ändert dies nichts daran, dass sie bereits seit dem letzten November einem Abwärtstrend folgt, der noch nicht in VPI durchgesickert ist. Hinzu kommt, dass das Leistungsbilanzdefizit mittelfristig und fundamental auf eine weitere Schwächung der Währung deutet.
Inflationsgebundene Anleihen mit kürzeren Laufzeiten bieten aber noch andere Vorteile. Erstens sind kurzfristige Breakeven-Raten die günstigsten entlang der Kurve. Zweitens spiegeln sich Inflationsüberraschungen und Endergebnisse (z.B. Basiseffekte beim Ölpreis, eine Schwäche des Pfund Sterling, Lohnwachstum) am wahrscheinlichsten im vorderen Ende der indexgebundenen Kurve. Drittens und letztlich ist es angesichts der auf Rekordtiefen liegenden Gilt-Renditen ratsam, das Zinsrisiko zum gegenwärtigen Zeitpunkt relativ niedrig zu halten.
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