Was uns Hochfrequenz-Indikatoren über die US-Wirtschaft verraten
Herkömmliche Wirtschaftsindikatoren haben den Vorteil, dass sie umfassende Datensätze verwenden und daher im Allgemeinen recht genau sind. Der Nachteil sind jedoch die großen Zeitverzögerungen: Man erfährt heute, was bereits vor einigen Monaten geschehen ist. Hochfrequenz-Indikatoren dagegen bauen auf kleineren – und wohl auch weniger genauen – Datensätzen auf. Doch sie helfen uns dabei, ein Gefühl für die aktuelle Entwicklung der Wirtschaft zu bekommen.
Die Verwendung von Hochfrequenz-Indikatoren war während der Corona-Pandemie sehr beliebt, da sich die Lage damals sehr schnell änderte. Ich halte es für lohnend, sie erneut heranzuziehen. Denn wir befinden uns derzeit wieder in einem sehr unsicheren makroökonomischen Umfeld.
In diesem Beitrag gehe ich auf einige der gängigsten Hochfrequenz-Indikatoren ein. Diese werde ich in Zukunft weiter beobachten, um eventuelle Stresssymptome in der US-Wirtschaft zu erkennen. Alle diese Indikatoren sind öffentlich zugänglich; die Links finden Sie im Quellenverzeichnis am Ende dieses Beitrags.
Ich habe die Indikatoren in vier große Gruppen eingeteilt: Arbeitsmarkt, Verbraucherverhalten, allgemeine Wirtschaftstätigkeit und Inflation.
1) Der US-Arbeitsmarkt
Die folgende Abbildung zeigt drei gängige Hochfrequenz-Indikatoren für den Arbeitsmarkt. Auf der linken Seite sehen Sie die Stellenangebote der Online-Jobbörse Indeed in „Echtzeit“. Diese bestätigen einen Trend, den wir in den letzten Monaten beobachten konnten: Die Nachfrage nach Arbeitskräften lässt zwar nach, bleibt aber außergewöhnlich hoch. Dies wird wahrscheinlich auch für den Rest des Jahres so bleiben, da der ASA-Personalindex weiter ansteigt. Dieser Index zeigt die wöchentlichen Veränderungen bei Zeitarbeitern und Beschäftigten mit Projektverträgen. Viele Unternehmen greifen auf Zeitarbeitskräfte zurück, bevor sie zusätzliche Festangestellte an Bord holen. Die Personalindizes laufen der tatsächlichen Beschäftigung daher in der Regel um drei bis sechs Monate voraus. Auf der rechten Seite habe ich ein Diagramm hinzugefügt, das die Häufigkeit von Google-Suchen nach dem Begriff „Arbeitslosengeld“ zeigt. Dies könnte uns möglicherweise ein Echtzeitbild der Menschen liefern, die sich Gedanken wegen einer möglichen Entlassung machen. Bislang ist die Zahl der Suchanfragen extrem niedrig; das deutet auf ein geringes Stresslevel am Arbeitsmarkt hin.
2) Verbraucherverhalten
Der Konsum ist die größte Säule des US-BIP. Daher ist es wichtig, das Verbraucherverhalten im Auge zu behalten – und zu verfolgen, wofür die Menschen ihr Geld ausgeben. Die Abbildung unten zeigt vier Hochfrequenz-Indikatoren, die zu einem besseren Verständnis dieser Fragen beitragen. Sie sehen daran, wie oft die Menschen verreisen, ein Restaurant besuchen oder in einem Hotel übernachten. Insgesamt scheint die Wirtschaft wieder da angekommen zu sein, wo sie vor der Corona-Pandemie stand. Trotz höherer Preise geben die Menschen also weiterhin Geld aus. Die Grafik unten rechts zeigt ebenfalls einen wichtigen Indikator: die nominalen Gesamtausgaben. Dank des starken Arbeitsmarktes halten sich diese gut. Wenn sich diese Entwicklung fortsetzt und die Inflation weiter tendenziell sinkt, werden wir in der zweiten Hälfte dieses Jahres eine Belebung der realen Ausgaben erleben. Dies wird sich wahrscheinlich in einem Anstieg des realen Bruttoinlandprodukts niederschlagen.
3) Allgemeine Wirtschaftstätigkeit
Wie bereits erwähnt, werden hohe nominale Ausgaben bei sinkender Inflation wahrscheinlich zu höheren realen Ausgaben und realem Wachstum führen. Auf eine Belebung des realen Wachstums deuten auch der GDPNow der Atlanta Fed und der wöchentliche BIP-Tracker der OECD hin. Beide Indizes zielen darauf, die Wirtschaftstätigkeit in Echtzeit zu verfolgen. Nach zwei aufeinanderfolgenden Quartalen mit negativem Wachstum könnte das reale BIP in der zweiten Jahreshälfte wieder in den positiven Bereich zurückkehren.
4) Inflation
Zu guter Letzt ein Blick auf das wichtige Thema der Inflation. Die Grafik auf der linken Seite der folgenden Abbildung zeigt, wo die Cleveland Fed den aktuellen Verbraucherpreisindex (VPI) sieht. Diese Einschätzungen sind in der Regel recht genau; daher geben sie uns einen guten Echtzeit-Indikator. Das Problem mit dem VPI ist jedoch, dass er von einigen nachlaufenden Indikatoren beeinflusst wird. Zuallererst sind das die Mieten, die rund 40 % der Kernausgaben der Verbraucher ausmachen. Aufgrund seines Aufbaus spiegelt der VPI nicht genau wider, wo die Mietpreise heute stehen; er zeigt eher, wo sie vor einigen Monaten lagen. Die Mietpreisinflation hat bereits begonnen zu sinken, doch im VPI spiegelt sich dies noch nicht wider. Die „Truflation“ (Grafik auf der rechten Seite) hingegen berücksichtigt mehr Echtzeitdaten. Sie könnte uns daher ein besseres Bild von der aktuellen Inflation vermitteln. Insgesamt scheint sich der Preisauftrieb in den USA abzuschwächen, wenn auch sehr langsam. Das liegt daran, dass sich die Inflation von Gütern auf Dienstleistungen verlagert; dort sind Preissteigerungen unglücklicherweise hartnäckiger.
Die US-Notenbank Fed hat einen Pfad der Zinserhöhungen eingeschlagen, und dies wird wahrscheinlich zu einigen Brüchen führen. Die besonders zinsempfindlichen Bereiche der Wirtschaft – etwa der Immobilienmarkt – zeigen bereits deutliche Anzeichen einer Verlangsamung. Insgesamt hält sich die Wirtschaft jedoch weiterhin recht gut. Das könnte sich irgendwann ändern; doch die traditionellen Wirtschaftsindikatoren zeigen die möglichen Stressbereiche nicht rechtzeitig an – Hochfrequenz-Indikatoren dagegen sind dazu in der Lage.
In diesem Beitrag haben wir uns einige der gängigsten Hochfrequenz-Indikatoren angesehen. Bislang bestätigen diese, dass der Arbeitsmarkt weiterhin stark ist und die Menschen ausgabefreudig bleiben. Das reale Wachstum wird sich in der zweiten Jahreshälfte wahrscheinlich beschleunigen, während die Inflation langsam zurückgeht. Für die Zukunft ist es sinnvoll, diese Indikatoren im Auge zu behalten – um Veränderungen und mögliche „Risse“ frühzeitig zu entdecken.
Quellen für die in diesem Beitrag thematisierten Hochfrequenz-Indikatoren:
- Stellenausschreibung in Echtzeit: https://www.hiringlab.org/2022/06/09/data/
- ASA-Personalindex: https://americanstaffing.net/research/asa-data-dashboard/asa-staffing-index/
- Arbeitslosenhilfe: https://trends.google.com/trends/explore?date=all&geo=US&q=unemployment%20benefit
- Reisen: TSA checkpoint travel numbers (current year versus prior year(s)/same weekday) | Transportation Security Administration
- Restaurants: https://www.opentable.com/state-of-industry
- Hotels: https://str.com/press-release/str-us-hotel-results-week-ending-1-october
- Verbraucherausgaben: https://tracktherecovery.org/
- Atlanta Fed GDPNow: https://www.atlantafed.org/cqer/research/gdpnow
- OECD-BIP-Tracker: https://www.oecd.org/economy/weekly-tracker-of-gdp-growth/
- Cleveland Fed CPI Nowcasting: https://www.clevelandfed.org/our-research/indicators-and-data/inflation-nowcasting.aspx
- „Truflation“: https://app.truflation.com/
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