Deflations-Tsunami

Von Robert Burrows

Die Inflation ist ein heiß diskutiertes Thema, bei der sich die führenden Wirtschaftsexperten oft in den Haaren liegen. Ich bin kein Finanztitan. Doch wenn ich mir die Welt aus 50.000 Meter Höhe anschaue, sehe ich die Voraussetzungen für einen deutlichen Rückgang der Inflation.


Quelle: Getty Images.

Jahrelang war die Inflation niedriger als von den wichtigsten Zentralbanken der Welt angestrebt. Der Preisauftrieb war schwer zu fassen – trotz ultralockerer Geldpolitik mit negativen Zinssätzen und einer atemberaubend massiven quantitativen Lockerung (QE). Es musste zunächst eine Pandemie die Wirtschaft lahmlegen und die Lieferketten zum Stillstand bringen; ein Krieg musste die geopolitischen Spannungen verschärfen und die weltweite Nahrungsmittel- und Energiesicherheit beeinträchtigen; und als Folge davon musste es zu einer weiteren Ausweitung der Geldmenge kommen. Erst dann stieg die Inflation spürbar. Wird dieser erhöhte Preisauftrieb von Dauer sein?

Die Inflation ist das Maß für die Preisveränderung bei Waren und Dienstleistungen. Wenn die Preise sich auf einem bestimmten Niveau einpendeln, wird die jährliche Veränderung letztendlich gegen Null tendieren. Die Basiseffekte werden allmählich verschwinden, und die Inflation wird sich wieder „benehmen“.

Die Coronazeit liegt zum Glück hinter uns, die Lieferketten haben sich entspannt und „normalisiert“ – ein disinflationärer Impuls.


Quelle: Bloomberg, Mai 2023.


Putins Einmarsch in die Ukraine hat einen Preisschock am Energiemarkt ausgelöst. Auch dieser Effekt hat nachgelassen – ein weiterer disinflationärer Impuls.


Quelle: Bloomberg, Mai 2023.

Der aggressive Zinserhöhungszyklus der Zentralbanken dürfte das Wachstum verlangsamen. Besonders stark betrifft dies Volkswirtschaften, deren Wohnungsbau an Hypothekenprodukte mit variablem Zinssatz gekoppelt ist. Für die USA ist das weniger problematisch, da die meisten Immobilienbesitzer 30-jährige Hypotheken mit festgeschriebenen Zinsen haben. Die Immobilienpreise in den meisten Industrieländern liegen auf einem unerschwinglichen Niveau, und die Kosten für die Kreditaufnahme werden stark ansteigen. Daher werden die Immobilienpreise zweifellos unter Druck geraten, was einen weiteren disinflationären Impuls darstellt. Neben dem Wohnungsmarkt ist auch der Sektor der Gewerbeimmobilien besonders anfällig, da er mit der strafferen Geldpolitik und einer Kaskade von fälligen Schulden zu kämpfen hat. Die Umschuldung wird sich negativ auf die Rentabilität auswirken: Die Finanzierungskosten haben sich erhöht, und neue Finanzierungen könnten bei derzeitigen Bedingungen möglicherweise sehr schwierig werden. Die Regionalbanken in den USA durchlaufen ihre eigene Krise, und sie vergeben rund 70 % der US-Wohnimmobilienkredite – siehe Schaubild.


Quelle: St. Louis Federal Reserve, März 2023.


Warum ist der Markt bisher von einer heftigen Rezession verschont geblieben? Vielleicht weil die Verbraucher beharrlich geblieben sind, ihre Ersparnisse aufgebraucht und ihre Kreditkartenschulden in den letzten Jahren kräftig erhöht haben. Dies scheint so nicht weitergehen zu können: Die Sparquoten sind auf oder nahe dem Tiefpunkt, und für die rekordhohen Kreditkartenschulden werden steigende effektive Jahreszinsen fällig.


Quelle: Bloomberg, Mai 2023.

Was hat der Markt eingepreist? Der Ausblick fällt sehr düster aus und zeigt an, dass der „Markt“ eine Rezession für so gut wie sicher hält. Die „2s/10s-Renditekurve“ zeigt den Unterschied zwischen 2- und 10-jährigen Staatsanleihen. In der Vergangenheit war sie ein genauer Indikator für eine Rezession. Derzeit ist sie stark invertiert, was auf ein Rezessionsrisiko hindeutet.


Quelle: Bloomberg, Mai 2023.


Auf der anderen Seite muss die US-Notenbank Fed Vertrauen schaffen. Nach eigener Aussage hält sie den kurzfristigen Forward-Spread (18m Forward 3m minus 3-Monats-Kassazins) für einen besseren Indikator für eine Rezession. Daraus folgert sie, dass eine Rezession weniger wahrscheinlich ist. Ich will mir hier kein Urteil erlauben, welche Kennzahl besser ist, aber … die Kennzahl der Fed hat sich auf spektakuläre Weise überschlagen und suggeriert nun das Gleiche. Das ging schnell.


Quelle: Bloomberg, Mai 2023.


Die vielleicht größte Bedrohung für die Inflation ist die künstliche Intelligenz (KI)

Prognosen zufolge könnte die KI in den kommenden Jahren bis zu 300 Millionen Arbeitsplätze vernichten. Möglicherweise ein Weltuntergangsszenario – vielleicht auch nicht. Mo Gawdats Wirtschaftsbestseller des Jahres, „Scary Smart“, gibt einen ausgezeichneten und ausgewogenen Überblick über diese neue Technologie und ihre Auswirkungen auf die Menschheit. Gawdat war früher Chefingenieur bei Google X. Daher können wir davon ausgehen, dass er ein tiefes Verständnis für diesen Sektor hat. Beunruhigend ist, dass er sein Buch schon 2021 veröffentlicht hat, und seither hat sich einiges getan. Einige Erkenntnisse aus dem Buch haben mich sehr beeindruckt:

  1. Es passiert und kann nicht aufgehalten werden
  2. KI kann schon jetzt besser kommunizieren, visuelle Eindrücke besser wahrnehmen und genauso gut gestalten wie der Mensch
  3. Im Jahr 2019 löste Googles Supercomputer „Sycamore“ ein Problem, das für normale Maschinen als unlösbar galt. Der damals beste Supercomputer hätte dafür 10.000 Jahre gebraucht. Sycamore schaffte es in 200 Sekunden. Er ist also 1,5 Billionen Mal schneller.

Lesen Sie das Buch, es ist wirklich erschreckend.

Ist das alles nur Panikmache? Nein, es muss schon etwas dran sein. Einflussreiche Stimmen auf der ganzen Welt plädieren für eine Regulierung des Sektors; doch das wird wohl kaum zielführend sein. Die KI schreitet einfach zu schnell voran.

Während der Internetrevolution haben wir die „schöpferische Zerstörung“ im Sinne von Schumpeter erlebt. Bestehende Wirtschaftsstrukturen wie Branchen, Unternehmen und Arbeitsplätze wurden durch neue ersetzt, die durch Innovation und technologischen Wandel entstanden. Es hatte dabei immer den Anschein, dass nur einige wenige Branchen gefährdet waren. Die Beschäftigten in anderen Branchen konnten aufatmen und ihr Leben glücklich weiterführen. Dieses Mal ist es anders. Die Bandbreite und das Ausmaß der gefährdeten Arbeitsplätze sind erschreckend.

Einige Beispiele verdeutlichen dies. Am wenigsten gefährdet war bisher stets der Kreativbereich; das hat sich geändert.

  1. Bilder und Kunstwerke lassen sich in Sekundenschnelle erstellen – dafür genügt eine gute Beschreibung. Unten ist ein vollständig KI-generiertes Bild, das ich selbst in 5 Minuten erstellt habe. Dazu gehörte das Herunterladen der App und das Ausprobieren, wie es am besten geht. 

Quelle: Eigenkreation von Rob Burrows.


  1. Modelbranche – nehmen Sie das obige Bild und denken Sie an die Welt der Models. Wir brauchen keine Models mehr. Stellen Sie sich die Werbung für eine Jeans vor. Sie kann weltweit und in Sekundenschnelle umgesetzt werden: Einfach, indem man den Markt auswählt und das Bild einer „attraktiven“ Person erzeugt, die das Kleidungsstück trägt. Die Auswahl von männlich/weiblich/jung/alt/klein/groß wird ein einfacher Knopfdruck sein.
  2. Musik – Von KIs kreierte Musik liegt im Trend. „Heart on My Sleeve“ von Drake (den ich ansonsten nicht kenne) ist derzeit angesagt. Musiker bieten jetzt die Nutzung ihrer Stimme für eine Beteiligung an künftigen Gewinnen an. Es wird nicht mehr lange dauern, bis wir keinen menschlichen Gesang mehr brauchen. Hatsune Miku in Japan ist ein Beispiel für vollständig KI-generierte Musik mit einer Hologramm-Präsenz – und sie erfreut sich großer Beliebtheit.
  3. Das geschriebene Wort – Bücher und Forschungsarbeiten können in Sekundenschnelle und in mehreren Sprachen verfasst werden. Die Drehbuchautoren in Hollywood streiken sogar, um ihre Branche und ihren Lebensunterhalt zu schützen.

Auf dem Arbeitsmarkt könnte sich also ein Erdbeben abzeichnen. Massenarbeitslosigkeit ist sicherlich kein gutes Rezept gegen eine galoppierende Inflation. Es könnte sein, dass die Gewinne von Unternehmen steigen, die von künstlicher Intelligenz und Kostensenkungen profitieren. Doch für den kleinen Mann auf der Straße sind es keine guten Aussichten. Wie werden wir alle überleben, während wir auf dem Schrotthaufen der Arbeitslosigkeit sitzen?

Wenn ein solch drastischer Wandel bevorsteht, müssen wir alles überdenken, was wir über die Wirtschaft und funktionierende Gesellschaften wissen. Kein Wunder, dass das Thema des allgemeinen Grundeinkommens wieder aufgetaucht ist.

Der Wert der Vermögenswerte des Fonds und die daraus resultierenden Erträge können sowohl fallen als auch steigen. Dies führt dazu, dass der Wert Ihrer Anlage steigen und fallen wird, und Sie bekommen möglicherweise weniger zurück, als Sie ursprünglich investiert haben. Die frühere Wertentwicklung stellt keinen Hinweis auf die künftige Wertentwicklung dar.

Robert Burrows

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