Video: Während der Markt gespannt darauf wartet, dass die Arbeitslosenquote auf unter 6,5 Prozent sinkt, richtet sich die Aufmerksamkeit der US-Notenbank eher auf die sinkende Inflation
Vergangene Woche habe ich ein paar Tage in New York verbracht, wo ich mich mit einigen Volkswirten und Wissenschaftlern getroffen habe. Der Markt für US-Staatsanleihen war gerade von einer heftigen Verkaufswelle erfasst worden. Dabei sind die Renditen 10-jähriger Papiere von 1,63 Prozent von Anfang Mai auf mehr als 2,2 Prozent nach oben geklettert. Diese Tendenz war in erster Linie auf die überraschenden Äußerungen hinsichtlich einer Beendigung der quantitativen Lockerungsmaßnahmen zurückzuführen, die Ben Bernanke bei der Fragestunde nach seiner Rede von dem gemeinsamen Wirtschaftsausschuss des Kongresses abgab. Gleichzeitig wurden auch 30-jährige US-Hypotheken abverkauft, deren Zinsen mittlerweile bei rund 4 Prozent liegen. Dies könnte den Erholungstrend am Immobilienmarkt beeinträchtigen.
Während meines Aufenthalts gelangte ich zu zwei grundlegenden Schlussfolgerungen. Zunächst einmal spricht angesichts des nur langsam wieder anziehenden US-Wirtschaftswachstums (das wegen der verzögerten Auswirkungen der Fiskalklippe auch im zweiten Halbjahr lediglich mäßig ausfallen könnte) momentan nicht allzu viel dafür, dass die quantitativen Lockerungsmaßnahmen in den nächsten Monaten zurückgefahren werden. So weisen die Volkswirte darauf hin, dass sich Bernanke in seiner vorbereiteten Rede vor dem gemeinsamen Wirtschaftsausschuss des Kongresses sehr zurückhaltend geäußert und keineswegs angedeutet hat, dass die Geldmarktpolitik noch in diesem Jahr wieder verschärft werden könnte. Vielmehr scheint seine Antwort auf die entsprechende Frage wohl eher falsch kommuniziert worden zu sein. Dafür spricht auch, dass er in den letzten Tagen über den gut vernetzten Journalisten Jon Hilsenrath vom Wall Street Journal teilweise wieder zurückgerudert ist. Zweitens konzentrieren wir uns derzeit vor allem auf die US-Arbeitsmarktdaten und versuchen zu prognostizieren, wann die Arbeitslosenquote die wichtige Marke von 6,5 Prozent erreichen wird. Dabei könnten wir jedoch das andere „Sorgenkind“ der Fed aus den Augen verlieren – die Inflation. Nachdem die Teuerungsrate in den Jahren 2011 und 2012 angestiegen war (vor allem aufgrund der höheren Preise für Rohstoffe wie Baumwolle oder Öl), sinken die Kennzahlen für die Kern-Inflation – allen voran der von der US-Notenbank bevorzugte Core PCE Deflator auf momentan rund 1 Prozent. Das Lohnwachstum ist ebenfalls lediglich mäßig. Bei einer Inflationsrate, die 1 Prozent unter der Zielvorgabe liegt, würde die Taylor-Regel dafür sprechen, dass die Fed die Zinsen um 1,5 Prozent senkt, anstatt sie anzuheben oder gar monetäre Ankurbelungsmaßnahmen zurückzufahren! Da weitere Zinssenkungen bei einem Zinsniveau von fast 0 Prozent schlicht unmöglich sind, muss die unkonventionelle Geldmarktpolitik so etwas wohl einfach aushalten. Deshalb ist eine Ausweitung der quantitativen Lockerungsmaßnahmen aktuell wesentlich wahrscheinlicher als etwa eine Reduzierung oder sogar eine Einstellung derselben.
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