Die Amerikaner haben widersprüchliche Ansichten darüber, wie das Haushaltsdefizit in den Griff zu bekommen ist. Aber zeichnen sich zunehmende Anzeichen von Pragmatismus ab?
Es sieht fast so aus, als ob sich die politische Hängepartie zum US-amerikanischen Haushalt aus dem Jahr 2011 wiederholen könnte. Sie erinnern sich: Dieses Kräftemessen zwischen den Republikanern und den Demokraten trug mit dazu bei, dass S&P den USA ihren AAA-Status entzog. Nur wenige Beobachter rechnen damit, dass die amerikanischen Politiker bei der Schuldenfrage vor den Wahlen im November Fortschritte machen – doch das lässt ihnen nicht viel Zeit, um die im Januar 2013 automatisch in Kraft tretenden Ausgabenkürzungen und Steuererhöhungen zu vermeiden. Diese sogenannte fiskalische Klippe bedeutet am 1. Januar automatische Ausgabenkürzungen im Verteidigungshaushalt sowie Erhöhungen der Steuern auf Einkommen, Kapitalerträge, Dividenden und Erbschaften. Wie groß wären die Auswirkungen auf das Wachstum in den USA? Das Congressional Budget Office schätzt, dass dadurch die US-Wirtschaft im ersten Halbjahr 2013 um 1,3 % schrumpft. Goldman Sachs hingegen geht von einer Beeinträchtigung des BIP im ersten Halbjahr um bis zu 4 % aus. Da sich in China die Konjunktur abschwächt und sich weite Teile der Eurozone in einer Rezession befinden, könnte der Zeitpunkt durchaus günstiger gewählt sein, einer großen Volkswirtschaft, die immerhin in den letzten Quartalen ein Wachstum verzeichnet hat, 600 Mrd. USD zu entziehen.
Die Unfähigkeit der Politiker, eine Entscheidung darüber zu treffen, wie und wann das zunehmende Schuldenproblem der USA anzugehen ist, spiegelt sich auch in der Bevölkerung wider. Nachstehend einige Meinungsumfragen, die zeigen, wie es möglich ist, dass Wähler gleichzeitig 1.) die Leistungen der Sozialversicherung und Gesundheitsfürsorge unverändert belassen möchten aber 2.) die Ausgaben senken, 3.) die Steuern nicht erhöhen und 4.) die Schuldenobergrenze der USA nicht anheben wollen.
Was ist wichtiger: Maßnahmen zum Abbau des Haushaltsdefizits zu ergreifen oder Sozialleistungen und Medicare unverändert zu lassen?
Reduzierung des Haushaltsdefizits 32 %
Leistungen unverändert lassen 60 %
(Quelle: Pew Research Center, Juni 2011)
Welchen Weg zum Abbau des Haushaltsdefizits würden Sie bevorzugen?
Nur Ausgabenkürzungen oder mehr Ausgabenkürzungen als Steuererhöhungen 58 %
Nur Steuererhöhungen oder mehr Steuererhöhungen als Ausgabenkürzungen 23 %
(Quelle: Reuters/Ipsos, April 2012)
Glauben Sie, dass es zum Abbau des Haushaltsdefizits notwendig sein wird, Steuern für Menschen wie Sie zu erhöhen?
Notwendig 41 %
Nicht notwendig 56 %
(Quelle: NYT/CBS-Umfrage, Januar 2011)
Möchten Sie, dass Ihr Kongressabgeordneter für oder gegen eine Erhöhung der Schuldenobergrenze stimmt?
Dafür 22 %
Dagegen 42 %
(Quelle: Gallup, Juli 2011)
Angesichts der Tatsache, dass die staatlichen Gesundheitsprogramme Medicare und Medicaid zusammen mit den Sozialleistungen ca. 60 % der Staatsausgaben ausmachen, wäre es eine ausgesprochen schwierige Aufgabe, diese Bereiche nicht anzutasten und gleichzeitig die Ausgaben zu kürzen. Hinzu kommt, dass die Ausgaben in einem weitaus schnelleren Tempo ansteigen, als das BIP der USA. Somit muss man von deutlichen Kostensteigerungen anstelle von Kürzungen ausgehen (vor allem wegen der alternden Bevölkerung und des medizinischen Fortschritts).
Doch vielleicht kommen immer mehr Menschen zu der Erkenntnis, dass man sich mit diesen Widersprüchen befassen muss. Nachdem wir in den vergangenen Jahren viel Zeit in den USA verbracht haben, mussten wir kürzlich feststellen, dass es schwierig geworden ist, Wirtschaftsexperten, Strategen und Politiker dazu zu bringen, sich mit unseren USA-zentrischen Fragen zu befassen, statt uns Fragen über die Probleme der Eurozone zu stellen. Angesichts der Tatsache, dass Kommunen in ganz Amerika mit der Überschuldung kämpfen, hält die Frage „Könnten wir eines Tages Griechenland sein?“ Einzug in die Mitte der Gesellschaft.
Vor diesem Hintergrund sind einige Entwicklungen der letzten Zeit interessant. Sie lassen nämlich vermuten, dass die amerikanischen Wähler inzwischen ganzheitlicher über die zukünftige Struktur der Wirtschaft ihres Landes denken. In einem Interview der Financial Times in der Wochenendausgabe dieser Woche mit der Bürgerrechtsanwältin Molly Munger wird ihre erfolgreiche Aktion angesprochen, im Bundesstaat Kalifornien eine vorgeschlagene Einkommensteuererhöhung auf den Wahlzettel für November zu setzen. Diese neue Steuer, die aktuell bei Meinungsumfragen breite Unterstützung findet, soll in den staatlichen Bildungsfonds fließen. Eine weitere Steuererhöhung zum Zwecke des Defizitabbaus befindet sich ebenfalls auf dem Wahlzettel. Gleichzeitig lehnten die Wähler in Wisconsin letzte Woche eine von den Gewerkschaften unterstützte Abberufungswahl ab, die den republikanischen Gouverneur Scott Walker aus dem Amt befördern sollte. Auslöser war sein Gesetzesentwurf zur „Haushaltsinstandsetzung“, der Wisconsin Budget Repair Bill. Er sah vor, die Renten- und Gesundheitsbeiträge für staatliche Angestellte zu erhöhen und die Verhandlungsmacht der Gewerkschaften einzuschränken. Tatsächlich konnte Walker in der Abberufungswahl seinen Stimmenvorsprung im Vergleich zu den Wahlen 2010 noch steigern und ist der erste Gouverneur überhaupt, der nach einer Abberufungswahl im Amt geblieben ist.
Handelt es sich hierbei um Anzeichen für eine sich verändernde Haltung gegenüber der Schuldenlast? Möglicherweise, und das wäre positiv – doch wir erwarten nach den Präsidentschaftswahlen trotzdem erhebliche Turbulenzen in Bezug auf das Thema Schuldenobergrenze. Diese Turbulenzen werden noch dadurch verstärkt, dass das Präsidentenamt und der Kongress wahrscheinlich nicht von der gleichen Partei besetzt bzw. dominiert werden, auch wenn manche der Meinung sind, dies wäre das beste Ergebnis. Es muss nämlich bei der langfristigen Reduzierung des Haushalts ein Kompromiss in Bezug auf die Kombination aus Ausgabensenkungen und Steuererhöhungen gefunden werden, anstelle einer Konzentration der gesamten Belastung auf eine der beiden Maßnahmen.
Zu guter Letzt nehmen die Diskussionen über eine landesweite Verbrauchssteuer (MwSt.) in den USA zu. Selbst eine niedrige Mehrwertsteuer könnte beim Defizit jährlich eine erhebliche Entlastung bringen. Ist diese Ansicht in den Vereinigten Staaten populär? Nun, als ich in Google „US consumption tax“ eintippte, war die zweite automatisch generierte Suche „U.S. Consumption Tax is tempting VAT of poison“ (etwa: U.S. Verbrauchssteuer ist ein verlockendes Giftfass), daher vermute ich, dass die Antwort „Nein“ lautet! Dennoch handelt es sich quasi um eine Wunderwaffe, die den USA immer noch zur Verfügung steht, im Gegensatz zu Europa, wo viele Länder bereits MwSt-Sätze von 20 % haben und von daher in diesem Bereich wenig Spielraum für zusätzliche Einnahmen vorhanden ist.
Der Wert der Vermögenswerte des Fonds und die daraus resultierenden Erträge können sowohl fallen als auch steigen. Dies führt dazu, dass der Wert Ihrer Anlage steigen und fallen wird, und Sie bekommen möglicherweise weniger zurück, als Sie ursprünglich investiert haben. Die frühere Wertentwicklung stellt keinen Hinweis auf die künftige Wertentwicklung dar.
17 Jahre Blog-Beiträge
Entdecken Sie vergangene Blogs aus unserem umfangreichen Archiv mit unserer Funktion "Blast from the past". Sehen Sie sich die beliebtesten Blogs an, die in diesem Monat veröffentlicht wurden - vor 5, 10 oder 15 Jahren!
Bond Vigilantes
Bleiben Sie mit Bond Vigilantes auf dem Laufenden